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Zulassungsverfahren für Biozidprodukte

Gemäß Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr.528/2012 (Biozidverordnung) dürfen Biozidprodukte nur auf dem Markt bereitgestellt oder verwendet werden, wenn sie gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurden.

Hier erhalten Sie Informationen und Formulare für die Zulassung von Biozidprodukten.

Nationale Zulassung

Antragsteller, die eine nationale Zulassung gemäß Artikel 17 der Biozidverordnung beantragen möchten, reichen einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats ein. Die Anforderungen an Zulassungsanträge sind in Artikel 20 der Biozidverordnung aufgeführt.

Diese Zulassungen besitzen eine nationale Gültigkeit. Wenn Sie ein national zugelassenes Produkt in weiteren EU-Staaten auf dem Markt bereitstellen wollen, reichen Sie einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung unter Berücksichtigung der jeweiligen Datenanforderungen ein.

Wenn ein Antrag auf eine nationale Zulassung gestellt worden ist, findet die Übergangsregelung für Biozidprodukte mit Altwirkstoffen nur dann Anwendung, wenn der Antrag auf Zulassung bis zum Termin der Genehmigung des Wirkstoffs gestellt wurde. Wird diese Frist versäumt, fällt dieses Biozidprodukt nicht mehr unter die Übergangsregelungen und die Vermarktungsfähigkeit endet.

Informationsblatt Nationale Zulassung (NA-APP)
Informationsblatt administrative Änderung einer Zulassung (NA-ADC)
Informationsblatt geringfügige oder wesentliche  Änderung einer Zulassung (NA-MIC und NA-MAC)

Gegenseitige Anerkennung

Zulassungen gelten mit Ausnahme der Unionszulassung nur in dem EU-Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist. Wollen Sie ein Produkt in mehreren Mitgliedstaaten vermarkten, müssen Sie jedoch nicht jedes Mal einen neuen Zulassungsantrag stellen. Es genügt, in einem EU-Mitgliedstaat die Zulassung zu beantragen und in den anderen Staaten einen Antrag auf gegenseitige Anerkennung dieser Erstzulassung zu stellen. Gegenseitige Anerkennungen können nach einer in einem anderen Mitgliedstaat erfolgten Zulassung oder auch parallel mit dieser gestellt werden.

Auch wenn ein Antrag auf gegenseitige Anerkennung gestellt wird, findet die Übergangsregelung für Biozidprodukte  mit Altwirkstoffen nur dann Anwendung, wenn der Antrag auf parallele gegenseitige Anerkennung bis zum Termin der Genehmigung des Wirkstoffs gestellt wurde. Wird diese Frist versäumt, fällt dieses Biozidprodukt nicht mehr unter die Übergangsregelungen und die Vermarktungsfähigkeit endet.

Informationsblatt parallele gegenseitige Anerkennung (NA-MRP)
Informationsblatt nachfolgende gegenseitige Anerkennung (MRS)
Informationsblatt administrative Änderung einer Zulassung (NA-ADC)
Informationsblatt geringfügige oder wesentliche  Änderung einer Zulassung (NA-MIC und NA-MAC)

Unionszulassung

Die Biozidverordnung sieht die Möglichkeit vor, dass für Biozidprodukte auch Zulassungsanträge gestellt werden können, die für die gesamte Union gelten. Ausgenommen hiervon sind lediglich Produkte in den Produktarten 14 (Rodentizide), 15 (Avizide), 17 (Fischbekämpfungsmittel), 20 (Mittel gegen sonstige Wirbeltiere) und 21 (Antifouling-Produkte).

Für Biozidprodukte mit Neuwirkstoffen sowie für Produkte der Produktarten 1, 2, 3, 4, 5, 6, 13, 18 und 19 können derzeit Unionszulassungen erteilt werden. Ab Januar 2020 für die übrigen Produktarten.

Wollen Sie eine Unionszulassung erhalten, müssen Sie gemäß Artikel 42 der Biozidverordnung einen entsprechenden Antrag bei der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) stellen.

Seite der ECHA zu Unionszulassungen

Vereinfachte Zulassung

Für Produkte mit einem niedrigen Risikopotential sieht die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ein vereinfachtes Zulassungsverfahren vor. Voraussetzung ist, dass der Wirkstoff im Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 gelistet ist (Artikel 25 der Verordnung). In diesem Anhang befinden sich Wirkstoffe aus verschiedenen Kategorien (Lebensmittelzusatzstoffe, Pheromone etc.).  Eine Änderung des Anhang I kann nach Artikel 28 auf Antrag eines Mitgliedstaates oder eines Wirtschaftsteilnehmers erfolgen, der genaue Verfahrensablauf wurde von der Kommission in einer Durchführungsverordnung festgelegt.

Neben der Listung des Wirkstoffs im Anhang I der Biozid-Verordnung darf ein Biozidprodukt, das ein vereinfachtes Zulassungsverfahren durchlaufen soll, keine bedenklichen Beistoffe und keine Nanomaterialien enthalten. Das Produkt muss nachgewiesenermaßen ausreichend wirksam und für seine Handhabung darf keine Schutzausrüstung erforderlich sein.

Erfüllt ein Produkt diese Voraussetzungen, kann bei der Chemikalienagentur (ECHA) ein Antrag auf eine vereinfachte Zulassung gestellt werden. Diesem Antrag ist eine Bestätigung der bewertenden Behörde beizufügen, dass diese der Übernahme der Bewertung zustimmt. Aus den eingereichten Unterlagen muss hervorgehen, dass das Produkt die oben genannten Voraussetzungen erfüllt.

Weitere Informationen zu den benötigten Daten zur Wirksamkeit finden Sie im Leitfaden der ECHA (siehe unten).

Lässt ein Mitgliedstaat ein Produkt nach der Bewertung im vereinfachten Verfahren zu, kann das Produkt anschließend auch in anderen Mitgliedstaaten ohne eine gegenseitige Anerkennung auf den Markt gebracht werden. Hierfür ist jedoch eine Meldung mindestens 30 Tage vor dem Beginn der Vermarktung in dem jeweiligen Mitgliedstaat notwendig.

Informationsblatt vereinfachte Zulassung (SN-NOT)
Informationsblatt Änderung eines im vereinfachten Verfahren zugelassenen Biozidprodukts (SN-ADC)
Active substances in annex 1 of the BPR and the simplified authorisation procedure (CA-Feb13-Doc.5.1)
Durchführungsverordnung zum Verfahrensablauf zur Aufnahme in Anhang I

Zulassung eines gleichen Biozidprodukts

Soll ein national oder in der Union zugelassenes Biozidprodukt unter anderem Namen mit eigener Zulassungsnummer oder durch einen anderen Zulassungsinhaber auf dem Markt bereitgestellt werden, so kann die Zulassung des gleichen Biozidprodukts in dem betroffenen Mitgliedstaat bzw. in der Union beantragt werden (Artikel 17 (7) der Biozidverordnung). Die Zulassung kann nach der Zulassung des Referenzprodukts oder auch parallel mit dieser beantragt werden. Der genaue Verfahrensablauf wurde von der Kommission in einer Durchführungsverordnung festgelegt.

Wenn ein Antrag auf Zulassung des gleichen Biozidprodukts gestellt wird, findet die Übergangsregelung für Biozidprodukte mit Altwirkstoffen nur dann Anwendung, wenn der Antrag parallel zum Zulassungsantrag des Referenzprodukts bis zum Termin der Genehmigung des Wirkstoffs gestellt wurde. Wird diese Frist versäumt, fällt dieses Biozidprodukt nicht mehr unter die Übergangsregelungen und die Vermarktungsfähigkeit endet.

Informationsblatt parallele Zulassung eines gleichen Biozidprodukts (NA-BBP)
Informationsblatt nachfolgende Zulassung eines gleichen Biozidprodukts (NA-BBS) 

Weitere Verfahren

Parallelhandel

Für ein Biozidprodukt, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, kann die Zulassungsstelle auf Antrag eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilen (Artikel 53 der Biozidverordnung). Voraussetzung ist, dass es mit einem Produkt identisch ist, das in Deutschland bereits zugelassen ist. Identisch heißt in diesem Zusammenhang, dass das Produkt von demselben Unternehmen (oder unter Lizenz nach demselben Herstellungsverfahren) hergestellt wird und dass der Gehalt an Wirkstoff, der Formulierungstyp und die vorhandenen nicht wirksamen Stoffe identisch sind. Außerdem muss es hinsichtlich der Größe, des Materials oder der Form der Verpackung im Hinblick auf potentielle negative Auswirkungen auf die Produktsicherheit identisch oder gleichwertig sein.

Die Genehmigung für den Parallelhandel ist für die Dauer der Zulassung des identischen, bereits in Deutschland zugelassenen Biozidproduktes gültig.

Vorläufige Zulassung

Für Produkte mit Neuwirkstoffen können vorläufige Zulassungen erteilt werden (Artikel 55 Absatz 2 der Biozidverordnung). Auch wenn die in dem Biozdprodukt enthaltenen Neuwirkstoffe noch nicht genehmigt worden sind, kann dem Produkt eine vorläufige Zulassung erteilt werden, wenn zu erwarten ist, dass
a) der Neuwirkstoff die Anforderungen für eine Genehmigung erfüllen wird und
b) das Biozidprodukt die übrigen Voraussetzungen für eine Produktzulassung erfüllt.


Produktfamilien

Die Zulassungsstelle kann neben einzelnen Produkten auch Produktfamilien zulassen. Als Biozidproduktfamilien werden dabei gemäß Artikel 3 Absatz 1 s) der Biozidverordnung Gruppen von Biozidprodukten definiert mit Wirkstoffen derselben Spezifikation für den gleichen Verwendungszweck und mit spezifischen Abweichungen in der Zusammensetzung, die weder das Risikopotenzial heraufsetzen noch die Wirksamkeit dieser Produkte wesentlich verringern.
Informationsblatt Zulassungsnummer für Biozidproduktfamilien und deren Mitglieder


Zusätzliche Antragsunterlagen für Deutschland

Je nachdem, um welchen Antrag es sich handelt, sind in Deutschland bei der Antragstellung weitere Unterlagen vorzulegen.

Die entsprechenden Antragsunterlagen sind in einer zip-Datei zusammengestellt:
Antragsunterlagen zur Zulassung von Biozidprodukten (ZIP, 3 MB)


Informationen zu spezifischen Themen:

Informationen zu spezifischen Produktarten

Für einzelne Produktarten sind für einen Antrag auf Zulassung weitere Anforderungen oder Einschränkungen von Ihnen zu beachten. Diese finden Sie im Folgenden nach Produktart sortiert.

Produktart 5

Produktart 5 (Trinkwasser)

Biozidprodukte der Produktart 5 können für die Desinfektion von Trinkwasser für Mensch und Tier zugelassen werden.

Gemäß Artikel 2 (7) der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) können die Mitgliedstaaten die Verwendung von Biozidprodukten in der öffentlichen Trinkwasserversorgung beschränken oder verbieten.

In Deutschland dürfen gemäß § 20 der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) nur Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren während der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Wasser für den menschlichen Gebrauch eingesetzt werden, welche in der entsprechenden Liste des Bundesministeriums für Gesundheit (Pfad zu der Liste s. u.) enthalten sind. Dies schließt auch die Desinfektion von Trinkwasser für Menschen mit ein.

Sollte in einem Biozidprodukt der Produktart 5 ein Wirkstoff enthalten sein, welcher nicht in dieser Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren enthalten ist (z. B. Wasserstoffperoxid), kann dieses Biozidprodukt in Deutschland nicht für die Desinfektion von Wasser für den menschlichen Gebrauch zugelassen werden. Entsprechend darf dieses Biozidprodukt in Deutschland nicht für die Desinfektion von Wasser für den menschlichen Gebrauch verwendet werden.

Die Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren, welche während der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser in Deutschland eingesetzt werden dürfen, wird vom Umweltbundesamt geführt und im Bundesanzeiger sowie im Internet veröffentlicht:

Umweltbundesamt: Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren, welche während der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser in Deutschland eingesetzt werden dürfen

Produktart 14

Antikoagulanzien

Die meisten Rodentizide zur Bekämpfung von Nagetieren, wie Ratten und Hausmäuse, enthalten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe, sogenannte Antikoagulanzien. Dabei unterscheidet man zwischen Wirkstoffen der 1. Generation (Warfarin, Chlorophacinon und Coumatetralyl) und den potenteren Wirkstoffen der 2. Generation (Bromadiolon, Difenacoum, Brodifacoum, Difethialon und Flocoumafen).

Antikoagulanzien sind fortpflanzungsschädigend (reproduktionstoxisch) und, bedingt durch ihre blutgerinnungshemmende Wirkweise, zielorgantoxisch für Blut. Zudem wurden Antikoagulanzien der 2. Generation als PBT-Stoffe identifiziert, d.h. sie sind nur sehr schlecht abbaubar in der Umwelt (persistent, P), reichern sich in Lebewesen an (bioakkumulierend, B) und sind giftig (toxisch, T). Antikoagulanzien erfüllen somit die Ausschlusskriterien gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung Nr. 528/2012 (Biozid-VO) und sind daher grundsätzlich nicht genehmigungsfähig. Zudem wurden Antikoagulanzien als zu ersetzende Wirkstoffe gemäß Artikel 10 der Biozid-VO identifiziert und sollen perspektivisch durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden. Als Blutgerinnungshemmer wirken diese Rodentizide auf alle Wirbeltiere, sodass auch für Haus- und Wildtiere hohe Vergiftungsrisiken bestehen.

Derzeit sind Antikoagulanzien allerdings noch in vielen Anwendungsbereichen für die Bekämpfung von Nagetieren notwendig, auch wenn es bereits wirksame chemische und nicht-chemische Alternativen dazu gibt. Daher wurde EU-weit entschieden, antikoagulante Rodentizide - trotz ihrer gefährlichen Eigenschaften - für einen begrenzten Zeitraum von fünf Jahren und unter Einhaltung von strengen Anwendungsbestimmungen und Risikominderungsmaßnahmen (RMM) zuzulassen. Festgehalten wurden diese Bestimmungen in den EU-weit harmonisierten, exemplarischen Zusammenfassungen der Produkteigenschaften (harmonisiertes SPC (Summary of Product Characteristics)) für antikoagulante Rodentizide. Das SPC-Dokument ist zentraler Teil einer jeden Zulassung in der EU. Es beinhaltet u.a. alle für das jeweilige Produkt zugelassenen Verwendungen und die dafür geltenden Bestimmungen. Die konkrete Zulassung für ein spezifisches Produkt in Deutschland und das dazu gehörige SPC können von dem harmonisierten SPC abweichen, z. B. dann, wenn weniger Verwendungen beantragt wurden oder zusätzliche, produktspezifische Risikominderungsmaßnahmen enthalten sind. Auch nationale Besonderheiten können berücksichtigt werden. Hierzu zählt z. B. die genaue Definition eines geschulten berufsmäßigen Verwenders unter Berücksichtigung der nationalen Regelungen der Gefahrstoffverordnung.

Jede Neuzulassung oder Verlängerung einer bestehenden Zulassung eines Rodentizids mit Antikoagulanzien beinhaltet seit 2018 ein harmonisiertes SPC mit den in Deutschland geltenden Bestimmungen.

Derzeitiges Verfahren zur Wiederzulassung für Produkte der Produktart 14 mit antikoagulanten Wirkstoffen (Stand März 2024):

Die Zulassung für Produkte der Produktart 14 mit antikoagulanten Wirkstoffen wird für die Dauer von maximal fünf Jahren erteilt. Derzeit findet EU-weit die Bewertung der Verlängerungsanträge dieser Rodentizide statt. Dabei erfolgt eine umfassende Neubewertung der bestehenden Zulassungen unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und neuer Leitfäden u.a. zur Umweltrisiko- und Wirksamkeitsbewertung. Um einen Abschluss des Verlängerungsverfahrens vor dem Auslaufen der bestehenden Zulassungen zu gewährleisten, wurde im Rahmen von Diskussionen auf EU-Ebene festgelegt, dass eine Verlängerung der derzeit bestehenden Zulassungen zunächst bis zum 01.07.2024 möglich ist. In Deutschland wurde somit das Ablaufdatum aller bestehenden Zulassungen, für die fristgerecht (d.h. mind. 550 Tage vor Ablauf der Zulassung) ein Antrag auf Verlängerung gestellt wurde, zunächst ohne weitere Änderungen auf den 01.07.2024 verlängert. Gleichzeitig erfolgte gemäß Artikel 23 Absatz 1 der Biozid-VO eine vergleichende Bewertung, um zu prüfen, ob Antikoagulanzien durch chemische oder nicht-chemische Alternativen ersetzt werden könnten. Die vergleichende Bewertung wurde im Auftrag der Europäischen Kommission durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) unter Mitwirkung der EU-Mitgliedsstaaten durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im März 2024 von der Kommission in dem Durchführungsbeschluss (EU) 2024/816 umgesetzt, der sich an die Mitgliedstaaten richtet und von diesen im Rahmen der laufenden Verlängerungsverfahren berücksichtigt werden muss. Um auch weiterhin einen Abschluss des derzeitigen Verlängerungsverfahren vor dem Auslaufen der bestehenden Zulassungen zu gewährleisten, werden die Zulassungsanträge, die von Deutschland als zuständigem Mitgliedsstaat bewertet werden, zunächst ohne weitere Änderungen auf den 31.12.2025 verlängert.

Ankündigung von Änderungen bei der 2. Verlängerung der Zulassung von antikoagulanten Rodentiziden in Deutschland

Die nachfolgend aufgeführten Änderungen werden erst mit der abschließenden Entscheidung zur Verlängerung der bestehenden Zulassungen umgesetzt werden, d.h. nach dem 31.12.2025 (s.o.). Neben den nachfolgend aufgeführten, absehbaren Änderungen, können sich im Ergebnis der umfassenden Neubewertung der bestehenden Zulassungen weitere produktspezifische Anpassungen im Einzelfall ergeben.

 

  1. Zulassung von antikoagulanten Rodentiziden nur für geschulte berufsmäßige Verwender

Die Änderung betrifft die Zulassung der Biozidprodukte nach der Verordnung über die Meldung und die Abgabe von Biozidprodukten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidrechts-Durchführungsverordnung - ChemBiozidDV). Gemäß § 15 ChemBiozidDV dürfen Biozidprodukte, die Wirkstoffe enthalten, welche ein Ausschlusskriterium nach Artikel 5 Absatz 1 der Biozid-VO erfüllen, nur für die Verwendung durch geschulte berufsmäßige Verwender zugelassen werden, sofern nicht auf Grund der in Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 Buchstabe b und c der Biozid-VO genannten Voraussetzungen eine Zulassung für weitere Verwenderkategorien erforderlich ist. Da alle Antikoagulanzien mindestens ein Ausschlusskriterium erfüllen, werden antikoagulante Rodentizide gemäß §15c GefStoffV zukünftig nur für die Verwendung durch geschulte berufsmäßige Verwender mit Sachkunde zugelassen. Bisher wurde in keiner Wirkstoffgenehmigung die Notwendigkeit der Verwendung von Antikoagulanzien durch eine andere Verwenderkategorie ausdrücklich als notwendig erachtet. Dies wäre aber nach § 15 ChemBiozidDV erforderlich, um solche Biozidprodukte auch für andere als sachkundige Verwender zuzulassen.

 

2. Keine Anwendung von Antikoagulanzien ohne zuvor festgestellten Befall

Vor der Anwendung von antikoagulanten Rodentiziden wird es zukünftig immer erforderlich sein, eine Befallsermittlung durchzuführen. Die Anwendung von antikoagulanten Rodentiziden erfolgt dann nur noch bei einem zuvor festgestellten Befall mit der als Zielorganismus auf dem Produkt ausgewiesenen Nagetierart. Entsprechend werden antikoagulante Rodentizide nicht für die Verwendung zur befallsunabhängigen Dauerbeköderung (Permanentbeköderung), zur Vorbeugung eines Nagetierbefalls, zur Befallsermittlung oder zur Überwachung von Nagetieraktivität zugelassen. Zur Überwachung der Nagetieraktivität und zur Befallsermittlung werden regelmäßige visuelle Kontrollen durch entsprechend geschultes Personal, der Einsatz von giftfreien Ködern (Non-Tox Köder) und die Verwendung von fernüberwachten Monitoringsystemen wie z.B. mit Sensoren und Funktechnik ausgestattete Fallen oder Geräte empfohlen. Die derzeit noch geltenden Ausnahmen von dem Verbot der Permanentbeköderung (befallsunabhängige Dauerbeköderung) sind damit nicht länger vorgesehen.

 

3. Präzisierung von RMM zum Schutz der aquatischen Umwelt

Bei der letzten Wiederzulassung von antikoagulanten Rodentiziden in 2018/2019 wurde festgelegt, dass bei der Anwendung von Ködern in der Kanalisation, in Gewässernähe und in der Nähe von Wasserableitungssystemen diese nicht in Kontakt mit dem Wasser bzw. Abwasser kommen dürfen. Dadurch sollten Einträge in die aquatische Umwelt minimiert werden. Zur praktischen Umsetzung dieser RMM wurden keine verbindlichen Vorgaben in der Zulassung gemacht. Dadurch entstand bei Verwendern und Auftraggebenden von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen eine Rechtsunsicherheit in Bezug auf die ordnungsgemäße Verwendung dieser Biozidprodukte. Vor diesem Hintergrund werden die bestehenden Anwendungsbestimmungen und RMM daher wie folgt präzisiert:

  1. Rodentizide mit Antikoagulanzien dürfen innerhalb eines Abstandes von fünf Metern zum Rand von oberirdischen Gewässern (z.B. Flüssen, Kanälen, Bächen, Be- und Entwässerungsgräben, Seen, Teichen) sowie Küsten- und Meeresgewässern nur in manipulationssicheren Köderschutzstationen eingesetzt werden, die den Kontakt der Köder mit dem Wasser während der gesamten Bekämpfungsmaßnahme verhindern.
  2. Rodentizide mit Antikoagulanzien dürfen innerhalb eines Abstandes von fünf Metern zu Wasserableitungssystemen im Außenbereich (z.B. Entwässerungsrinnen, Schachtabdeckungen, Boden- und Straßenabläufe, Versickerungsschächte) nur in manipulationssicheren Köderschutzstationen verwendet werden, die den Kontakt der Köder mit dem Wasser während der gesamten Bekämpfungsmaßnahme verhindern.
  3. Rodentizide mit Antikoagulanzien dürfen in der Kanalisation nur in Köderschutzstationen verwendet werden, die den Kontakt der Köder mit dem (Ab-)Wasser während der gesamten Bekämpfungsmaßnahme verhindern.

Einsatzmöglichkeiten von Antikoagulanzien zur Bekämpfung von Hausmäusen im Innenraum

Da alle Antikoagulanzien die Kriterien für zu ersetzende Wirkstoffe gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Biozid-VO erfüllen, muss als Teil der Bewertung der Anträge auf Verlängerung der Produkt-Zulassungen eine vergleichende Bewertung vorgenommen werden. Gemäß Artikel 23 Absatz 1 der Biozid-VO erfolgte eine vergleichende Bewertung im Auftrag der Europäischen Kommission durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) unter Mitwirkung der EU-Mitgliedsstaaten. Dabei wurde geprüft, ob es im Vergleich zu antikoagulanten Rodentiziden andere zugelassene Biozidprodukte oder nicht-chemische Bekämpfungs- oder Präventionsmethoden gibt, die für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt ein deutlich geringeres Gesamtrisiko darstellen, hinreichend wirksam sind und mit keinen wesentlichen wirtschaftlichen oder praktischen Nachteilen verbunden sind.

Im Rahmen dieser Bewertung wurde festgestellt, dass Schlagfallen zur Hausmausbekämpfung, die nach zuvor festgelegten Kriterien hinsichtlich Wirksamkeit und Tierschutzgerechtheit geprüft wurden, grundsätzlich diese Anforderungen erfüllen. Zudem wurde festgestellt, dass derzeit mit Alphachloralose- und Cholecalciferol-haltigen Rodentiziden auch chemische Alternativen zu Antikoagulanzien zur Verfügung stehen. Das Ergebnis der vergleichenden Bewertung muss von den Mitgliedstaaten für das laufende Verlängerungsverfahren berücksichtigt werden.

In der Abwägung der Folgen einer Nicht-Zulassung antikoagulanter Rodentizide zur Hausmausbekämpfung im Innenraum – verglichen mit den davon ausgehenden Risiken – haben die beteiligten Behörden auf Grundlage von Artikel 19 Absatz 5 BiozidVO jedoch entschieden, antikoagulante Rodentizide für diese Verwendung auch weiterhin in Deutschland zuzulassen. Für den Einsatz nicht-chemischer Alternativen fehlen derzeit noch belastbare Daten zur Wirksamkeit unter Realbedingungen. Gleiches gilt für die Bekämpfung von Wanderratten und Hausratten. Sie dürfen im Ergebnis der vergleichenden Bewertung weiterhin in allen Anwendungsbereichen mit antikoagulanten Rodentiziden von geschulten berufsmäßigen Verwendern in Deutschland bekämpft werden. Die chemische Vielfalt von Rodentiziden ist derzeit nicht ausreichend, um Antikoagulanzien zur Bekämpfung von Wander- und Hausratten zu ersetzen. Zudem fehlen belastbare Daten zur Wirksamkeit von nicht-chemischen Alternativen unter Realbedingungen.